Unwirksamkeit der Kündigung des Auftraggebers wegen Mängeln vor Abnahme (§§ 4 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, 1. Alt. VOB/B)

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Unwirksamkeit der Kündigung des Auftraggebers wegen Mängeln vor Abnahme (§§ 4 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1, 1. Alt. VOB/B)

Dr. Jörg Deutscher
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
www.ts-law.de

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Leitsatz:

Ist die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart worden, hält § 4 Abs. 7 Satz 3 VOB/B ebenso wie die hierauf rückbezogene Bestimmung in § 8 Abs. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B bei Verwendung durch den Auftraggeber der Inhaltskontrolle nicht stand. Die Kündigungsregelung in § 4 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 8 Abs. 3 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VOB/B benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB und ist daher unwirksam.

Bundesgerichtshof, Urteil v. 19.01.2023 – VII ZR 34/20

Praxishinweis:

Die Beklagte war Hauptauftragnehmerin hinsichtlich eines Teils des Ausbaus einer Stadtbahnlinie. Mit den entlang der Stadtbahntrasse durchzuführenden Straßen- und Tiefbauarbeiten beauftragte die Beklagte die Klägerin als Nachunternehmerin. Die VOB/B in der jeweils geltenden Fassung war in den Bauvertrag einbezogen worden.

Während der Bauausführung rügte die Beklagte die Qualität des verbauten Betons an einem bestimmten Straßenabschnitt, verlangte von der Klägerin unter Fristsetzung Mangelbeseitigung und drohte für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs die außerordentliche Kündigung des ganzen oder eines Teils des Auftrags sowie die Mangelbeseitigung auf Kosten der Klägerin an. Die Klägerin kam dem Verlangen der Beseitigung der behaupteten Mängel, welche mit relativ geringem Aufwand bei laufendem Baubetrieb in zwei bis drei Arbeitstagen hätte erledigt werden können, nicht nach. Die Beklagte kündigte nach Fristablauf den Bauvertrag hinsichtlich aller zu diesem Zeitpunkt noch nicht erbrachten Arbeiten.

Die Klägerin begehrte Restwerklohn, die Beklagte verlangt widerklagend u.a. die Zahlung der Kosten der Ersatzvornahme. Weiter haben die Parteien wechselseitig beantragt, durch Zwischenfeststellungsurteil festzustellen, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung eine freie Kündigung nach § 8 Abs. 1 VOB/B (Antrag der Klägerin) bzw. eine "berechtigte Kündigung aus wichtigem Grund (Entziehung des Auftrags gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B)" (Antrag der Beklagten) gewesen sei.
 

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