Ende der Preisfortschreibung bei Mengenmehrungen im VOB/B-Vertrag

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BGH-Grundsatzentscheidung: Ende der Preisfortschreibung bei Mengenmehrungen im VOB/B-Vertrag

Jens Böttcher
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
www.ts-law.de

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Leitsatz:

1. Wie die Vergütungsanpassung bei Mengenmehrungen vorzunehmen ist, wenn eine Einigung über den neuen Einheitspreis nicht zu Stande kommt, ist in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht geregelt. Die Bestimmung gibt nur vor, dass bei der von den Parteien zu treffenden Vereinbarung über den neuen Preis Mehr- oder Minderkosten zu berücksichtigen sind. Die VOB/B legt die Verantwortung für die neue Preis-bestimmung, durch die etwaigen Störungen des Äquivalenzverhältnisses entgegengewirkt werden soll, damit in die Hände der Vertragsparteien, die unter Berücksichtigung der geänderten Umstände einen neuen Preis aushandeln sollen.
2. Abgesehen von der in § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vorgesehenen Einigung auf einen neuen Einheitspreis können die Vertragsparteien sowohl bei Vertragsschluss für den ungewissen Fall, dass Mengenmehrungen im Sinne dieser Bestimmung eintreten, als auch nachträglich, sobald aufgrund konkret eingetretener Mehrmengen ein neuer Einheitspreis verlangt wird, sich über einzelne Teilelemente der Preisbildung verständigen. Sie können etwa einen bestimmten Maßstab bzw. einzelne Kriterien oder Faktoren festlegen, nach denen im konkreten Fall der neue Einheitspreis nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt werden soll.
3. Haben sich die Parteien nicht insgesamt oder im Hinblick auf einzelne Elemente der Preisbildung geeinigt, enthält der Vertrag eine Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu schließen ist. Dabei entspricht es der Redlichkeit und dem bestmöglichen Ausgleich der wechselseitigen Interessen, dass durch die unvorhergesehene Veränderung der auszuführenden Leistungen im von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmten Umfang keine der Vertragsparteien eine Besser- oder Schlechterstellung erfahren soll.
4. Die im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien nach Treu und Glauben ergibt, dass - wenn nichts anderes vereinbart ist - für die Bemessung des neuen Einheits-preises bei Mehrmengen i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge maßgeblich sind.

BGH, Urteil vom 08.08.2019 - VII ZR 34/18

Praxishinweis: 

Ein Auftraggeber beauftragte ein Bauunternehmen unter Einbeziehung der VOB/B 2009 mit Abbrucharbeiten. Der Bauunternehmer hatte u.a. eine Tonne Bauschutt zu einem angebotenen Einheitspreis von 462 Euro netto pro Tonne zu entsorgen. In seiner Urkalkulation hatte der Bauunternehmer hierfür eigene Verladekosten von 40 Euro pro Tonne sowie Fremdkosten für Deponie- und Transportkosten von 292 Euro pro Tonne und für die Containerstellung von 60 Euro pro Tonne in Ansatz gebracht und auf diese Fremdkosten jeweils 20 % aufgeschlagen.
 

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