Abrechnung nicht erbrachter Leistungen nach Kündigung mit Umsatzsteuer

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Abrechnung nicht erbrachter Leistungen nach Kündigung mit Umsatzsteuer

Hedwig Lipphardt
Rechtsanwältin 
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
www.ts-law.de

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Leitsatz:
1. Der Auftragnehmer kann nach Kündigung des Bauvertrages durch den Auftraggeber die nicht erbrachten Leistungen mit Umsatzsteuer abrechnen. Nach dem Urteil des EuGH vom 28.11.2024 – C 622/23/112/EG – ist es nicht zu beanstanden, wenn der Auftragnehmer die große Kündigungsvergütung nach § 648 Satz 2 BGB insgesamt mit Umsatzsteuer ausweist.
2. Nach dem Urteil des EuGH vom 28.11.2024 (C 622/23)/112/EG ist Art. 2 Abs. 1 c) der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahingehend auszulegen, dass der Betrag, der vertraglich geschuldet wird, weil der Empfänger einer Dienstleistung einen wirksam geschlossenen Vertrag über die Erbringung dieser mehrwertsteuerpflichtigen Dienstleistung – deren Ausführung der Dienstleistungserbringer begonnen hatte und zu deren Fertigstellung er bereit war –, beendet hat, als Entgelt für eine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne der RL 2006/112 anzusehen ist. 
3. Ein Vertrag über Instandhaltungsleistungen für eine Brandmeldeanlage in einer Klinik ist als Bauvertrag nach § 650a Abs. 2 BGB anzusehen, da die Instand-haltung der Brandmeldeanlage für den bestimmungsgemäßen Gebrauch der Klinik von wesentlicher Bedeutung ist. 

Kammergericht Berlin, Beschluss v. 13.05.2025 – 21 U 8/25
(Vorinstanz LG Berlin II, Urt. v. 16.12.2024 – 14 O 137/23)

Praxishinweis:

1. Die Parteien streiten über die Vergütung für erbrachte und nicht erbrachte Leistungen aus einem gekündigten VOB/B-Bauvertrag. Der Auftraggeber (im Folgenden AG oder Beklagter) hat den Auftragnehmer (im Folgenden AN oder Kläger) mit der Aufrüstung einer bestehenden Brandmeldeanlage von Teilschutz auf Vollschutz in einem Krankenhaus beauftragt. Zudem sollte die Brandmeldeanlage auf alle Räume ausgeweitet werden. Für diese Leistungen haben die Parteien einen Pauschalpreis von rund 590 T EUR brutto vereinbart. Darüber hinaus ist der AN mit der Instandhaltung der sodann erneuerten Brandmeldeanlage beauftragt worden. Der Auftraggeber hat den Bauvertrag inklusive Instandhaltungsvertrag wegen Mängeln an den erbrachten Leistungen des AN nach erfolgloser Fristsetzung zur Mängelbeseitigung gekündigt. Der AN rechnet daraufhin die bislang erbrachten Leistungen sowie die aufgrund der Kündigung nicht erbrachten Leistungen ab. In der Schlussrechnung des AN wird die Umsatzsteuer sowohl für die erbrachten als auch für die nicht erbrachten Leistungen ausgewiesen. Der AG wendet ein, dass die Schlussrechnung nicht prüffähig sei, da die vom AN vorgenommene Aufteilung zwischen erbrachten und nicht erbrachten Leistungen nicht nachvollziehbar sei. Zudem habe der AG den Vertrag aus wichtigem Grund gekündigt, so dass kein An-spruch auf Entschädigung für nichterbrachte Leistungen bestehe. Die nicht erbrachten Leistungen müssten ohne Umsatzsteuer abgerechnet werden und kündigungsbedingte ersparte Aufwendungen und anderweitiger Erwerb in Abzug gebracht werden. Darüber hinaus rügt der AG zahlreiche Mängel an den bislang er-brachten Leistungen des AN. Der AN sei überzahlt.

Der AN (Kläger) verklagt den AG (Beklagter) auf Zahlung der Schlussrechnung. Das Landgericht Berlin II weist die Klage in vollem Umfang ab. Der AN legt gegen das Urteil des LG Berlin II Berufung zum Kammergericht ein. Mit Erfolg?
 

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