Abgeltungsklausel bei unbekannten Mängelansprüchen

Bild: © Sebastian Duda / shutterstock

Abgeltungsklausel bei unbekannten Mängelansprüchen

Dr. Rolf Theißen
Rechtsanwalt und Notar
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Lehrbeauftragter für Bau- und Vergaberecht
www.ts-law.de

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Leitsatz:

1. Ob eine Abgeltungsklausel, nach der sämtliche wechselseitige Ansprüche abgegolten bzw. erledigt sind, ohne ausdrückliche diesbezügliche Formulierung auch im Vergleichszeitpunkt unbekannte Ansprüche erfasst, folgt aus der Auslegung des Vergleichs im jeweiligen Einzelfall.

2. Es sind grundsätzlich strenge Anforderungen an eine Willenserklärung zu stellen, die zum Verlust einer Rechtsposition führt.

3. Die Tatsache, dass bestimmte Werkleistungen durch Drittunternehmen von der Abgeltungsklausel ausgenommen worden sind, spricht im Umkehrschluss deutlich dafür, dass alle übrigen Gewährleistungsansprüche von der Ausschluss-/Abgeltungswirkung erfasst sein sollten.

4. Als Auslegungskriterium gilt dabei auch, ob der Auftraggeber das Objekt zuvor eingehend auf Mangelsymptome bzw. -ursachen geprüft hatte bzw. fachmännisch hatte prüfen lassen und ob der Vergleichstext von einem Parteivertreter schriftlich entworfen worden ist und das Zustandekommen dieses außergerichtlichen Vergleichs dann erst nach weiteren außergerichtlichen Vergleichsverhandlungen beider Parteivertreter vom Gericht gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt worden ist.

5. Eine Partei kann der Erstreckung der Abgeltungsklausel auf im Vergleichszeitpunkt unbekannte Ansprüche auch nicht mit Erfolg durch eine Anfechtung wegen Irrtums über die Existenz sonstiger Ansprüche gemäß § 119 BGB entgegentreten, wenn ein diesbezüglicher eigener Irrtum der Partei über die Rechtsfolgen der Abgeltungs-/Erledigungsklausel vermeidbar war bzw. ein diesbezüglicher Irrtum ihres Prozessbevollmächtigten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO der Klägerin zurechenbar ist; ein diesbezüglicher Motivirrtum ist unbeachtlich.

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 08.03.2016 – 22 U 51/16 –

Praxishinweis:

Die Vertragsparteien eines Bauvertrages hatten nach einem längeren Rechtsstreit, dem auch ein selbständiges Beweisverfahren vorausging, einen (Prozess-)Vergleich geschlossen, in dem folgende Regelung aufgenommen war:

„Mit diesem Vergleich sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien – ausgenommen die Gewährleistung für die in diesem Vergleich geregelten Leistungen – abgegolten und erledigt.”

Nach Abschluss des Vergleichs traten weitere, bis dato unbekannte Mängel auf. Der Bauherr vertrat nun die Auffassung, dass im Vergleichszeitpunkt unbekannte Mängelansprüche von dieser Abgeltungsklausel nicht erfasst seien, sodass er diese Ansprüche noch geltend machen könne. Das Oberlandesgericht Düsseldorf kommt zu dem Ergebnis, dass die vorstehende Abgeltungsklausel auch unbekannte Ansprüche umfasse.



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