Zusätzliche Vergütung für den Stillstand von Baugeräten

Vorschaubild: www.BillionPhotos.com / shutterstock

Zusätzliche Vergütung für den Stillstand von Baugeräten
Beschluss des BGH – VII ZR 191/21 – vom 23. März 2022

Leitsatz:
Eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B kann auch aus mittelbaren bauzeitlichen Auswirkungen wie etwa Gerätestillstand von – unmittelbar Änderungen des Bauentwurfs betreffenden – Anordnungen gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B resultieren. Entsprechendes gilt für einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 6 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B.

Der Bundesgerichtshof musste u. a. über eine zusätzliche Vergütung bei Anordnungen des Auftraggebers nach § 1 Abs. 3, 4 VOB/B bei mittelbaren, bauzeitlichen Auswirkungen wie etwa Gerätestillstand entscheiden.

Sachverhalt:
Der Beklagte beauftragte die Klägerin am 11. April 2016 unter Einbeziehung der VOB/B (2012) mit dem Gewerk Schadstoffsanierung und Abbrucharbeiten beim Teilrückbau einer Justizvollzugsanstalt. Dem Vertrag lag ein bauseits erstelltes Schadstoffgutachten zugrunde. Dabei sollte in einem ersten Arbeitsschritt zunächst ein Teil des Gebäudes saniert und zurückgebaut werden (Wirtschaftsgebäude – Bauabschnitt 1) und parallel dazu die Schadstoffsanierung eines anderen Gebäudeteils (Zellentrakt – Bauabschnitt 2) erfolgen, damit dieser sofort im Anschluss an den ersten Rückbau ebenfalls zurückgebaut werden kann. Nach Beginn der Arbeiten am Bauabschnitt 1 wurde eine bis dahin unbekannte asbesthaltige Rohrisolierung vorgefunden, die saniert werden musste, bevor der Abbruch des Gebäudes weitergeführt werden konnte. Die Mehrkosten hierfür wurden von der Klägerin per Nachtragsangebot geltend gemacht und von dem Beklagten bis auf die Position betreffend die Gerätevorhaltung von einem Kettenbagger für fünf Tage akzeptiert.

Mitte Juni 2016 stellte sich ferner heraus, dass im Bereich des Bauabschnitts 2 Mehrleistungen wegen der im Verhältnis zu dem Schadstoffgutachten erheblich höheren Asbestbelastung von PVC-Böden und asbesthaltigen Klebers notwendig werden. Hierauf wies die Klägerin mit Schreiben vom 22. Juni 2016 hin. Der asbestbelastete PVC-Boden musste aufwendiger saniert werden als geplant. Dies hatte einen andauernden 32-tägigen Stillstand bzgl. des Abbruchs des Gebäudeteils beim Bauabschnitt 2 zur Folge. Die gesamten Arbeiten wurden am 24. März 2017 abgeschlossen. Die hierdurch entstehenden Mehrkosten für die Sanierungen im Bauabschnitt 2 wurden durch die Klägerin zunächst in ihrem Nachtragsangebot vom 24. Juni 2016 angeboten sowie von dem Beklagten geprüft und beauftragt. Den Ausgleich der geltend gemachten Vorhaltekosten für zwei Kettenbagger akzeptierte der Beklagte hingegen nicht.

Das Landgericht hat die Klage des Auftragnehmers auf Zahlung von Vorhaltekosten für die Baugeräte abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Der Bundesgerichtshof wies die Revision jedoch zurück.

Aus den Gründen:
In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise habe das Berufungsgericht angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten aufgrund der von ihr ausgeführten Schadstoffsanierung bei den PVC-Böden im Zellentrakt dem Grunde nach ein Vergütungsanspruch nach § 2 Abs. 5 VOB/B für die Vorhaltung von Baugeräten zustehe.

Ohne Erfolg mache die Revision geltend, § 6 Abs. 6 VOB/B stelle eine abschließende Sonderregelung für alle Fälle der Behinderung und Unterbrechung mit der Folge dar, dass Ansprüche nach § 2 Abs. 5 VOB/B betreffend Stillstandskosten während der Unterbrechung oder Verschiebung der Bauzeit von vornherein ausgeschlossen seien. Eine solche abschließende Sonderregelung stelle § 6 Abs. 6 VOB/B nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht dar.

Der weitere Einwand der Revision, den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen lasse sich nicht entnehmen, dass seitens des Beklagten eine Änderung des Bauentwurfs vorgenommen worden oder eine andere Anordnung erfolgt sei, greife ebenfalls nicht durch.

Das Berufungsgericht habe als unstreitig festgestellt, dass der Beklagte eine Anordnung getroffen habe, wonach die asbestbelasteten PVC-Böden im Zellentrakt in einem konventionellen Verfahren, das aufwendiger war als das ursprünglich vertraglich vorgesehene, zu sanieren wären.

Das Berufungsgericht habe in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise des Weiteren angenommen, dass es sich bei der genannten Anordnung des Beklagten um eine Anordnung im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3 VOB/B handele. Als Anordnung im Sinne von § 2 Abs. 5 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 3 VOB/B komme eine Erklärung in Frage, die die vertragliche Leistungspflicht ändere. Ob eine Leistungsänderung in diesem Sinne vorliege, sei durch Auslegung des Bauvertrags zu ermitteln. Diese Auslegung obliege dem Tatrichter und sei in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar.

Die vom Berufungsgericht insoweit vorgenommene Auslegung – Änderung der vertraglichen Leistungspflicht seitens des Beklagten – sei angesichts des dem Vertrag zugrunde gelegten Schadstoffgutachtens und angesichts des ursprünglich vertraglich vorgesehenen Verfahrens zur Entfernung der asbestbelasteten PVC-Böden revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Rechtsfehlerfrei habe das Berufungsgericht des Weiteren angenommen, dass aus der Anordnung bezüglich der Schadstoffsanierung der PVC-Böden ein bauzeitbezogener Aufwand aufgrund der zusätzlichen Vorhaltung von für die Abbrucharbeiten im Bauabschnitt 2 benötigter Baugeräte resultiere und dass hieraus dem Grunde nach eine zusätzliche Vergütung nach § 2 Abs. 5 VOB/B folge.

Der von der Revision erhobene Einwand, die Kosten der Vorhaltung der für die Leistungserbringung erforderlichen Geräte seien nach den vertraglichen Bestimmungen mit den vertraglichen Einheitspreisen abgegolten, greife nicht durch. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise habe das Berufungsgericht im Wege der tatrichterlichen Auslegung angenommen, dass nach dem Sinn und Zweck der einschlägigen Bestimmung mit den Einheitspreisen nur der Aufwand für das Vorhalten von für die Leistungserbringung im ursprünglich vereinbarten Umfang erforderlichen Baugeräten abgegolten sei.

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise habe das Berufungsgericht des Weiteren angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten dem Grunde nach auch ein Vergütungsanspruch gemäß § 2 Abs. 6 VOB/B für die zusätzliche Vorhaltung eines für die Abbrucharbeiten im Bauabschnitt 1 benötigten Baggers infolge der Sanierung der asbesthaltigen Rohrisolierung im Dach des Wirtschaftsgebäudes zustehe.

Der Einwand der Revision, die Feststellungen des Berufungsgerichts belegten nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 2 Abs. 6 VOB/B, greife nicht durch.

Das Berufungsgericht habe als unstreitig festgestellt, dass der Beklagte eine Anordnung getroffen habe, wonach die im Verlauf der Asbestsanierung des Wirtschaftsgebäudes aufgefundene, bis dahin unbekannte asbesthaltige Rohrisolierung zusätzlich zu sanieren wäre.

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise habe das Berufungsgericht die genannte Anordnung des Beklagten als Verlangen nach einer im Vertrag nicht vorgesehenen Leistung im Sinne von § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B i. V. m. § 1 Abs. 4 VOB/B eingestuft. Revisionsrechtlich beachtliche Fehler bei der dieser Annahme zugrunde liegenden, im Wege der Auslegung vorzunehmenden Bestimmung des Umfangs der ursprünglich vertraglich geschuldeten Leistung mit dem Ergebnis, dass die angeordnete Sanierung der aufgefundenen asbesthaltigen Rohrisolierung hiervon nicht umfasst wäre, zeige die Revision nicht auf. Solche Fehler seien auch sonst nicht ersichtlich.

Die Rüge der Revision, die Feststellungen des Berufungsgerichts belegten weder, dass die Klägerin den Anspruch nach § 2 Abs. 6 VOB/B vor Ausführung der Leistung dem Beklagten gemäß § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 1 VOB/B angekündigt habe, noch, dass die Ankündigung ausnahmsweise entbehrlich gewesen wäre, greife nicht durch. Denn auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts wäre eine solche Ankündigung entbehrlich.

Nach der Rechtsprechung des Senats diene die nach § 2 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 VOB/B erforderliche Ankündigung des Auftragnehmers, für eine im Vertrag nicht vorgesehene Leistung eine zusätzliche Vergütung zu beanspruchen, dem Schutz des Auftraggebers. Er solle über drohende Kostenerhöhungen rechtzeitig informiert werden, um danach disponieren zu können. Ein Verlust des Vergütungsanspruchs für eine zusätzliche Leistung trete daher nicht ein, soweit die Ankündigung im konkreten Fall für den Schutz des Auftraggebers entbehrlich sei. Entbehrlich sei die Ankündigung unter anderem dann, wenn der Auftraggeber bei Forderung der Leistung von ihrer Entgeltlichkeit ausginge oder ausgehen müsste. Gemessen hieran wäre die Ankündigung des Anspruchs vor Beginn der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erforderlichen Sanierungsarbeiten an der asbesthaltigen Rohrisolierung im Dach des Wirtschaftsgebäudes entbehrlich. Denn der Beklagte müsste, wenn er nicht von der Entgeltlichkeit dieser Leistung ausgegangen sei, jedenfalls von deren Entgeltlichkeit ausgehen.

Soweit die Revision in Bezug auf den Anspruch aus § 2 Abs. 6 VOB/B inhaltsgleiche Rügen wie hinsichtlich des Anspruchs aus § 2 Abs. 5 VOB/B erhebe, könne auf die dortigen Ausführungen, die hier entsprechend gelten, verwiesen werden.

Anmerkung
Die Entscheidung des BGH schafft Klarheit zu der Frage, ob bei Anordnungen des Auftraggebers nach § 1 Abs. 3, 4 VOB/B der Auftragnehmer entstandene Stillstandskosten für Baugeräte nach §§ 2 Abs. 5, 6 VOB/B geltend machen kann. 

Der BGH führt hierzu aus, dass der nicht gegebene Schadensersatzanspruch nach § 6 Abs. 6 VOB/B keine abschließende Sonderregelung darstellt. Ein Anspruch auf Entschädigung aus § 6 Abs. 6 Satz 2 VOB/B i. V. m. § 642 BGB schied vorliegend ebenfalls aus. Im Ergebnis bejahte der BGH jedoch einen Anspruch aus § 1 Abs. 3 und 4 i. V. m. § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B.

(Quelle: VOBaktuell Heft III/2022
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)