Widerrufsrecht: „Nur-Planung“ ist kein „Vertrag zum Bau eines neuen Gebäudes“

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Orientierungssatz
Ein zwischen einem Architekten und einem Verbraucher geschlossener Vertrag, nach dem der Architekt nur die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses und in diesem Zusammenhang die Herstellung von Plänen schuldet, ist kein Vertrag über den Bau eines neuen Gebäudes und auch kein Vertrag über die Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Der Europäische Gerichtshof hat sich damit befasst, ob dem Verbraucher auch dann ein Widerrufsrecht zusteht, wenn er einen Architekten nur mit der Planung eines neu zu errichtenden
Einfamilienhauses und in diesem Zusammenhang mit der Herstellung von Plänen beauftragt.

Sachverhalt
Ein Verbraucher schloss mit einem Architekten außerhalb von dessen Geschäftsräumlichkeiten einen Vertrag über die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses ab. Nachdem der Architekt den ausgearbeiteten Bauplan, eine grobe Kostenzusammenstellung sowie eine Rechnung für die erbrachten Leistungen an den Verbraucher übersandte, teilte dieser dem Architekten seine Unzufriedenheit über die Qualität der Leistung mit und erklärte, den Planungsauftrag zu widerrufen. Der Architekt erhob hiernach Zahlungsklage gegen den Verbraucher.

Aus den Gründen
Das mit der Klage befasste österreichische Gericht legte die Streitigkeit dem EuGH zur Klärung der nachfolgenden Fragen vor:

  1. Ist ein Vertrag zwischen einem Architekten und einem Verbraucher, nach dessen Inhalt der Architekt (nur) die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses einschließlich der Herstellung von Plänen zu erbringen hat, ein Vertrag „über den Bau von neuen Gebäuden“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Richtlinie 2011/83?
  2. Wenn Frage 1 verneint wird: Ist ein Vertrag zwischen einem Architekten und einem Verbraucher, nach dessen Inhalt der Architekt die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses nach den Vorgaben und Wünschen seiner Auftraggeber schuldet und in diesem Zusammenhang Pläne zu erstellen hat, ein Vertrag über die Lieferung von „Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“, im Sinne von Art. 16 Buchst. c und Art. 2 Nrn. 3 und 4 der Richtlinie 2011/83?

Zur Vorlagefrage 1:
Der EuGH hat ausgeführt, dass Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Richtlinie 2011/83, der Verträge über den Bau von neuen Gebäuden vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausnimmt, eng auszulegen ist. Da diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach insoweit ausdrücklich auf Verträge über den „Bau von neuen Gebäuden“ abstellt, müsse Gegenstand solcher Verträge zwangsläufig die Errichtung eines neuen Gebäudes sein. Ein Vertrag, nach dem der Architekt dem Verbraucher nur die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses schuldet, der möglicherweise niemals eine tatsächliche Errichtung folgt, liege aber zu weit vom Prozess der Errichtung eines neuen Gebäudes entfernt, um unter den Begriff „Vertrag über den Bau eines neuen Gebäudes“ im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Buchst. f der Richtlinie 2011/83 fallen zu können.

Zur Vorlagefrage 2:
Die Richtlinie sieht Ausnahmen vom Widerrufsrecht insbesondere für die Verträge vor, nach denen Waren geliefert werden, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Der EuGH führt diesbezüglich aus, dass diese Ausnahme eng auszulegen ist. Aus den Definitionen in Art. 2 Nrn. 3 und 4 der Richtlinie 2011/83 gehe hervor, dass der Begriff „nach Verbraucherspezifikation angefertigte Ware“ dahin zu verstehen ist, dass er sich auf einen beweglichen körperlichen Gegenstand bezieht, der nicht vorgefertigt ist und für dessen Herstellung eine individuelle Auswahl oder Entscheidung durch den Verbraucher maßgeblich ist. Zwar impliziere ein zwischen einem Architekten und einem Verbraucher  geschlossener Vertrag, nach dem der Architekt die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses nach den Vorgaben und Wünschen des Verbrauchers schuldet, zwangsläufig die Erstellung von Bauplänen durch den Architekten, die anschließend dem Verbraucher übergeben werden, damit dieser sie für spätere Bauarbeiten nutzen kann. Bei diesen Plänen handele es sich auch um bewegliche körperliche Gegenstände, die vom Architekten auf der Grundlage der Angaben und Entscheidungen des Verbrauchers hergestellt werden. Nichtsdestotrotz besteht der Hauptgegenstand eines solchen Vertrags in der Erbringung einer geistigen Leistung durch den Architekten, die sich in der Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses manifestiert, wobei die Lieferung der Pläne als Waren gegenüber der zu erbringenden Hauptleistung nur zweitrangig ist, so der EuGH. Ein solcher Vertrag fällt daher unter den Begriff „Dienstleistungsvertrag“, für den diese Richtlinie in ihrem Art. 16 Buchst. a auch eine Ausnahme vom Widerrufsrecht für den Fall vorsieht, dass die Dienstleistung vollständig erbracht worden ist, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Unternehmer die Erbringung mit der vorherigen ausdrücklichen Zustimmung des Verbrauchers und dessen Kenntnisnahme, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert, begonnen hatte. Der Begriff „Dienstleistungsvertrag“ werde in Art. 2 Nr. 6 der Richtlinie 2011/83 nämlich weit definiert als Vertrag, der kein Kaufvertrag ist und nach dem der Unternehmer eine Dienstleistung für den Verbraucher erbringt oder deren Erbringung zusagt und der Verbraucher hierfür den Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich nach den Ausführungen des EuGH, dass dieser Begriff so zu verstehen ist, dass er alle Verträge umfasst, die nicht unter den in Art. 2 Nr. 5 dieser Richtlinie definierten Begriff „Kaufvertrag“ fallen.

Anmerkung
Insbesondere die Ausführungen des EuGH zur Nichtanwendung der Ausnahmeregelungen „Vertrag über Waren, die nach Kundenspezifikationen angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind“ sind auf Werk- bzw. Bauverträge übertragbar. Auch hier steht gerade nicht die Übertragung des Eigentums an einem beweglichen körperlichen Gegenstand im Vordergrund. Vielmehr sind wohl auch Werk- bzw. Bauverträge im europäischen Sprachgebrauch unter „Dienstleistungsverträge“ zu subsumieren.

(Quelle: VOBaktuell Heft IV/2020
RA Dr. Philipp Mesenburg und RÄ Dunja Salmen)