Voraussetzungen der Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B

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BGH: Voraussetzungen der Preisanpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3  VOB/B
Urteil des Bundesgerichtshofs – II ZR 157/20 – vom 10. Juni 2021

Leitsatz:
Faktoren, die nicht Bestandteil der Berechnung des ursprünglichen Einheitspreises sind, bleiben bei dessen Anpassung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B unberücksichtigt.

Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Dezember 2013 von der Beklagten unter Einbeziehung der Regelungen der VOB/B den Zuschlag für ausgeschriebene Abholzungs- und Altlastenumlagerungsarbeiten erhalten. Das Leistungsverzeichnis wies in Position 01.00.0001 als Leistung „Bäume fällen ohne Roden“ und einen Mengenansatz von 4.500 Stück aus. Die Position 01.07.0001 wies als Leistung „Freischneiden und Roden“ bei einem Mengenansatz von 21.200 m² aus und bezog sich auf dasselbe Flurstück wie die vorherige Position.

Das Preisangebot der Klägerin belief sich hinsichtlich der Position 01.00.0001 auf einen Einheitspreis von 0,12 Euro pro Baum, hinsichtlich der Position 01.07.0001 auf 0,11 Euro pro Quadratmeter.

Nachdem die Beklagte hinsichtlich einiger Positionen nachgefragt hatte, ob die Einzelpreise auskömmlich seien, legte die Klägerin gegenüber der Beklagten ihre Urkalkulation offen. Daraus ergab sich, dass die Klägerin mit einem Erlös aus der Verwertung der Bäume in Höhe von insgesamt 60 Euro je Baum rechnete, von dem sie den Betrag von 15 Euro als Gutschrift an die Beklagte weiterreichte. Der Restbetrag in Höhe von 45 Euro pro Baum sollte der Klägerin verbleiben.

Entsprechend gestaltete sich die Preiskalkulation für die Leistungsposition 01.07.0001. Dort rechnete die Klägerin mit einem Erlös von 20 Euro pro Wurzelstock, von dem sie 5 Euro als Gutschrift in dem Einheitspreis berücksichtigte.

Die Klägerin führte die angebotenen Leistungen durch. Diese wurden von der Beklagten abgenommen. Auf dem Flurstück standen tatsächlich nicht 4.500, sondern nur 1.237 Bäume.

In einem Nachtrag forderte die Klägerin von der Beklagten eine Anpassung der beiden Einheitspreise. Dabei verlangte sie hinsichtlich der Position 01.00.0001 einen neuen Einheitspreis von 126,89 Euro. Darin enthalten war auch ein Ausgleich für entgangenen Verwertungserlös in Höhe von 146.835 Euro netto wegen der im Vergleich zur Mengenangabe im Leistungsverzeichnis nicht vorhandenen 3.263 Bäume (3.263 fehlende Bäume mal 45 Euro). Betreffend die Position 01.07.0001 verlangte die Klägerin unter Berücksichtigung eines Ausgleichs für entgangenen Verwertungserlös für 3.263 Wurzelstöcke eine Anpassung des Einheitspreises auf 2,42 Euro netto pro Stück.

Das Landgericht hatte die auf Ausgleich der von der Klägerin erwarteten Verwertungserlöse für 3.163 Bäume und Wurzelstöcke gerichtete Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Entscheidung bestätigt. Auch die Revision der Klägerin vor dem Bundesgerichtshof blieb erfolglos.

Aus den Gründen:
Die Klägerin hat wegen der Mindermengen keinen Anspruch auf eine Preisanpassung gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B.

Nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B sei bei einer über 10 % hinausgehenden Unterschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen der Einheitspreis für die tatsächlich ausgeführte Menge der Leistung oder Teilleistung zu erhöhen, soweit der Auftragnehmer nicht durch Erhöhungen der Mengen bei anderen Ordnungszahlen (Positionen) oder in anderer Weise einen Ausgleich erhalte. Die Erhöhung des Einheitspreises solle im Wesentlichen dem Mehrbetrag entsprechen, der sich durch Verteilung der Baustelleneinrichtung und Baustellengemeinkosten und der allgemeinen Geschäftskosten auf die verringerte Menge ergebe.

Durch die Vergütungsregelung des § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B solle der Vergütungsanspruch des Auftragnehmers den Unwägbarkeiten entzogen werden, die sich aus der unzutreffenden Einschätzung der für die Ausführung der Bauleistung erforderlichen Mengen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ergeben. Die Bestimmung trage dem Risiko Rechnung, dass die Mengenschätzung im Zeitpunkt der Ausschreibung naturgemäß ungenau sein könne und die tatsächlichen Gegebenheiten auf der Baustelle insofern nicht genau erfasst sein könnten. Die aufgrund der Mengenminderung eingetretene Störung des Äquivalenzverhältnisses solle durch eine entsprechende Anpassung der Vergütung durch Neubildung eines einheitlichen Einheitspreises für die gesamte tatsächlich ausgeführte Masse ausgeglichen werden.

Bezugsgröße für den wegen der Mengenminderung anzupassenden Einheitspreis sei ausweislich des Wortlauts von § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B der ursprüngliche Einheitspreis. Hieraus folge, dass Faktoren, die nicht Bestandteil des ursprünglichen Einheitspreises seien, bei dessen Anpassung – unabhängig davon, wie diese im Einzelnen erfolge – unberücksichtigt blieben.

Der Bundesgerichtshof kommt zu dem Ergebnis, dass der in der Urkalkulation von der Klägerin prognostizierte Verwertungserlös in Höhe von 45 Euro pro Baum kein Bestandteil des angebotenen Einheitspreises ist.

Weder aus der Offenlegung der Urkalkulation noch aus der Einbeziehung einer Gutschrift in Höhe von 15 Euro pro Baum in die Kalkulation des Einheitspreises könne gefolgert werden, dass der erwartete Verwertungserlös insgesamt Bestandteil des Einheitspreises und damit Teil des Äquivalenzverhältnisses werde. Durch die Offenlegung sei die mit der Entsorgung der Bäume insgesamt verbundene Erlöserwartung der Klägerin nicht Gegenleistung für die von ihr zu erbringenden Leistungen geworden. Vielmehr sei aus der Urkalkulation ersichtlich, dass die Klägerin die Verwertungserlöse am Markt allein erzielen wollte und diese jedenfalls in Höhe eines Teilbetrags von 45 Euro kein Kostenfaktor des Einheitspreises sein sollten.

Bezüglich der die Wurzelstöcke betreffenden Position 01.07.0001 könne die Klägerin eine Anpassung der Vergütung nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VOB/B schon deshalb nicht verlangen, weil der Mengenansatz dieser Position in Quadratmetern und nicht in Stückzahlen angegeben sei und die Flächengröße unverändert geblieben sei.

(Quelle: VOBaktuell Heft I/2022
RA Dr. Philipp Mesenburg)