Verbrauchereigenschaft einer GbR bei § 650f BGB

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Verbrauchereigenschaft einer GbR bei § 650f BGB
Urteil des OLG München – 27 U 1463/24 – 26. Februar 2025

Orientierungssätze
1. Die gewerbliche Tätigkeit einer aus Familienmitgliedern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zum Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung ist im Einzelfall zu bestimmen.

2. Für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit der GbR ist ein planmäßiger Geschäftsbetrieb erforderlich, für dessen Bestimmung der Umfang und die Komplexität, der Aufwand bei der anschließend geplanten Verwaltung bzw. Vermietung, die umfassende Finanzierung über Fremdmittel sowie die kontinuierliche Fortentwicklung des Immobilienbesitzes der Familienmitglieder herangezogen werden können.

3. Liegt eine gewerbliche Tätigkeit der GbR vor, ist das in § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB enthaltene Verbraucherprivileg nicht einschlägig.

Das OLG München hat sich im Rahmen der Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB mit der Frage beschäftigt, wann bei einer aus Familienmitgliedern bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zum Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung eine gewerbliche Tätigkeit vorliegen kann.

Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einem Bauvertrag gem. § 650f BGB auf Leistung einer Bauhandwerkersicherung in Anspruch.

Die Parteien schlossen unter dem Datum vom 30.12.2020 einen Bauwerkvertrag, in welchem sich die Klägerin verpflichtete, ein Mehrfamilienhaus mit 30 Wohneinheiten und Tiefgarage mit 45 Stellplätzen zu errichten.

Die Beklagte ist Bauherrin und eine GbR, die aus den Familienmitgliedern Vater, Mutter und zwei Söhnen zum Zwecke der Vermögensverwaltung besteht. Der vereinbarte Werklohn beträgt – vor etwaigen Nachträgen u. Ä. – 5.575.007,20 € und wurde als Festpreis vereinbart.

Die Klägerin hat ihre Leistung zu großen Teilen erbracht. Im Zuge der Vertragsabwicklung kam es insbesondere wegen der geforderten Sicherheitsleistung zu Unstimmigkeiten. Mit Schreiben vom 09.08.2023 kündigte die Beklagte deshalb den streitgegenständlichen Vertrag. Unter Berücksichtigung der beklagtenseits erbrachten Zahlungen berechnete die Klägerin die Höhe der zu leistenden Sicherheit auf 2.735.678,31 € (offener Werklohn i. H. v. 2.486.980,28 € zzgl. 10 %).

Das Landgericht hat dem Sicherungsverlangen in Höhe von 2.167.095,70 € teilweise stattgegeben. Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Aus den Gründen
Die Berufung der Beklagtenseite sei zulässig, habe aber in der Sache lediglich hinsichtlich der Höhe der gem. § 650f BGB zu leistenden Sicherheit Erfolg.

Ein Bauvertrag liege mit dem Bauwerkvertrag vom 30.12.2000 vor. Vertraglich vereinbart wurde die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit 30 Wohneinheiten und Tiefgarage zum Festpreis i. H. v. 5.575.007,20 €.

Die Auftraggeberin, die Bauherrengemeinschaft … Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), handelte dabei auch unternehmerisch und nicht als Verbraucherin. Das in § 650f Abs. 6 BGB enthaltene Verbraucherprivileg sei nicht einschlägig.

§ 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB sei nach wie vor als Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall anzusehen, dass Sicherheit zu leisten sei. Es sei zudem der Besteller, der die Tatsachen dafür darlegen und beweisen müsse, dass er zum Kreis der privilegierten Besteller gehöre.

Es sei stets erforderlich, dass der Bauherr und Besteller als Verbraucher im zivilrechtlichen Sinne gehandelt haben. Vorliegend hätten die Beklagten jedoch gerade nicht als Verbraucher (§ 13 BGB), sondern unternehmerisch (§ 14 BGB) gehandelt. Dabei sei nicht die subjektive Bewertung oder der innere Wille der Handelnden maßgeblich, sondern der durch Auslegung zu ermittelnde Inhalt des Rechtsgeschäfts, in die erforderlichenfalls die Begleitumstände einzubeziehen seien. Entscheidend sei die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts bei Vertragsschluss.

Der Bundesgerichtshof habe zur Thematik Verbraucher-/Unternehmerdarlehen überzeugend herausgearbeitet, dass auch bei der Verwaltung eigener Immobilien eine gewerbliche Tätigkeit vorliege, wenn hierfür ein planmäßiger Geschäftsbetrieb erforderlich sei, wie etwa die Unterhaltung eines Büros oder einer Organisation. Die Höhe der verwalteten Werte oder des Kreditbetrags sei dabei nicht maßgeblich. Handele es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, so sei dementsprechend nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Ein ausgedehntes oder sehr wertvolles Objekt an eine geringe Anzahl von Personen zu vermieten, halte sich daher grundsätzlich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Dagegen spreche die Ausrichtung auf eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte für ein professionelles Vorgehen. Ob der mit der Vermögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand danach insgesamt das Bild eines planmäßigen Geschäftsbetriebs vermittele, bleibe eine im Einzelfall zu beurteilende Frage.

Von diesen Grundsätzen ausgehend sei der Senat davon überzeugt, dass die Beklagten unternehmerisch handelten. Das Handeln der Beklagten als GbR schließe dabei die Verbrauchereigenschaft nicht grundsätzlich aus. Die anzustellende Einzelfallbetrachtung, insbesondere der Umfang, die Komplexität des Bauprojektes, das nach Erstellung an einzelne Mieter vermietet werden sollte und zum Teil auch schon würde, die umfassende Finanzierung über Fremdmittel sowie die bei Lichte besehen kontinuierliche Fortentwicklung des namhaften Immobilienbesitzes der Familienmitglieder der Bauherrengemeinschaft belegen jedoch unternehmerisches Handeln.

Der klägerische Anspruch würde auf den in § 650f BGB gesetzlich normierten Sicherungsanspruch gestützt. Dieser sei vertraglich grundsätzlich nicht abdingbar, § 650f Abs. 7 BGB. Zusätzliche Sicherungsvereinbarungen seien möglich, ließen § 650f BGB jedoch unberührt.

Zusammenfassend sei damit festzustellen, dass nach einer Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls ein unternehmerisches Handeln der Beklagtenseite vorliege und ein Anspruch auf Bauhandwerkersicherung bestehe.

Gem. § 650f Abs. 1 S. 1 BGB könne der Unternehmer vom Besteller Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen, die mit 10 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs anzusetzen seien, verlangen. Eine Kündigung des Vertrages führe zu einer Absenkung des Sicherungsanspruches auf die Kündigungsvergütung, stehe dem Sicherungsverlangen aber nicht im Wege. Der zu sichernde Vergütungsanspruch betrage jedoch nur 1.628.379,80 €.

Anmerkung
Das OLG München verneint eine Verbrauchereigenschaft der aus Familienmitgliedern bestehenden GbR zum Zwecke der eigenen Vermögensverwaltung. Der Umfang und die Komplexität des Bauvorhabens, der Aufwand bei einer anschließend geplanten Verwaltung/Vermietung, die umfassende Finanzierung über Fremdmittel sowie die kontinuierliche Fortentwicklung des Immobilienbesitzes der Familienmitglieder der Bauherrengemeinschaft sprachen vorliegend für eine gewerbliche Tätigkeit der GbR. Damit war das in § 650f Abs. 6 S. 1 Nr. 2 BGB enthaltene Verbraucherprivileg nicht einschlägig. Im Ergebnis hat das OLG München dann einen Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB in einer bestimmtem Höhe bejaht.

Das Gericht erläutert zudem, dass § 650f Abs. 1–5 BGB unabdingbares Recht darstellt, vgl. § 651f Abs. 7 BGB. Der Unternehmer kann daher auf sein Sicherungsrecht weder in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) noch durch Individualvereinbarung verzichten. Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass eine Kündigung des Vertrages nur zu einer Absenkung des Sicherungsanspruches auf die Kündigungsvergütung führe, dem Sicherungsverlangen aber nicht im Wege steht.

Das Urteil behandelt daher wichtige Einzelaspekte zu der Frage, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB besteht.

(Quelle: VOBaktuell Heft III/2025
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)