Mithaftung eines Bauherrn für Mängel am Vorgewerk

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Mithaftung eines Bauherrn für Mängel am Vorgewerk
Urteil des OLG Schleswig – 1 U 97/21– vom 8. Juli 2022

Leitsatz:
Führen Mängel eines Vorgewerks dazu, dass die Leistung eines nachfolgenden Unternehmers mangelhaft ist, haftet der Bauherr nicht mit. Der Vorunternehmer ist nicht als sein Erfüllungsgehilfe anzusehen.

Das OLG Schleswig musste über die Frage entscheiden, ob wegen Mängel am Vorgewerk, die zu einer mangelhaften Ausführung des bauausführenden Gewerks führen, der Anspruch des Bauherrn gegen den nachfolgenden Unternehmer zu kürzen ist.

Sachverhalt:
Die Parteien schlossen im Jahr 2016 einen Vertrag über Dachdecker- und Abdichtungsarbeiten bei dem Neubau einer Wohnanlage. Die Klägerin hatte unter anderem Abdichtungsarbeiten auf Balkonen und Laubengängen zu leisten. Nach der Abnahme stellte die Klägerin ihre Schlussrechnung in Höhe von zuletzt 26.213,79 EUR nebst Zinsen sowie weiterer 4.065,78 EUR Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft. In den Wohnungen kam es zu Feuchtigkeitserscheinungen und Schimmelbildung. In
verschiedenen Privat- und Gerichtsgutachten wurden Mängel der von der Klägerin hergestellten Abdichtung festgestellt. Die Beklagte hat mit dem Vorschussanspruch gegen den Werklohnanspruch der Klägerin aufgerechnet und die Zahlung weiterer 42.243,66 EUR verlangt.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung der von der Aufrechnung nicht umfassten 4.065,78 EUR Zug um Zug gegen Übergabe einer Gewährleistungsbürgschaft und die Klägerin zur Zahlung überschießenden Kostenvorschusses in Höhe von 16.656,53 EUR verurteilt. Der Beklagten sei ein Mitverschulden wegen Planungsfehler anzurechnen.

Die Beklagte erklärte in ihrer Berufung die Aufrechnung gegen den gesamten restlichen Werklohnanspruch in Höhe von 30.279,57 EUR. Hilfsweise erhöhte sie ihren noch geltend gemachten Zahlungsantrag um 4.065,78 EUR. Die Klägerin beantragte, die Berufung zurückzuweisen.

Aus den Gründen:
Die Berufung der Beklagten habe in der Sache nur zum Teil Erfolg. Aufgrund der jetzt erklärten Aufrechnung der Beklagten sei der restliche Werklohnanspruch der Klägerin in voller Höhe erloschen, sodass bei einem Vorschussanspruch in Höhe von 60.384,74 EUR noch 15.008,99 EUR von der Klägerin zu zahlen sind.

Bei der Zurechnung des Verschuldens anderer Baubeteiligter zu Lasten des Bauherrn in dessen Verhältnis zu einem Unternehmer sei zu differenzieren. Der Bauherr hafte für das Planungsverschulden der von ihm beauftragten Bauplaner. Es obliege dem Bauherrn, den bauausführenden Unternehmen zutreffende Pläne zur Verfügung zu stellen, damit diese den Bau fachgerecht erstellen könnten. Ein Mitverschulden setze ein Verschulden in eigenen Angelegenheiten voraus. Dieses bestehe in der Verletzung einer im eigenen Interesse bestehenden Obliegenheit.

Versäume es der Bauherr vollständig, dem bauausführenden Unternehmen eine Planung zur Verfügung zu stellen, liege ein Planungsfehler vor, der grundsätzlich dem Bauherrn als Mitverschulden anzurechnen sei. Eine Haftung scheide jedoch aus, wenn die Planung vertraglich wirksam auf den Unternehmer delegiert worden sei. Der Unternehmer hafte nicht allein, wenn er auf Fehler der Bauplanung nicht hinweise. Es sei bereits Grundlage der Haftung, dass er die Obliegenheit habe, die übergebene Planung zu prüfen und auf Fehler hinzuweisen, um sich von Mängeln seines Werks zu entlasten. Könne er etwa Fehler der Planung nicht erkennen, hafte er gar nicht. Bei der Höhe der Mithaftung seien die verschiedenen Verursachungsbeiträge gegeneinander abzuwägen. Träfen nur ein dem Bauherrn anzulastender Planungsmangel und ein unterlassener Bedenkenhinweis des Unternehmens aufeinander, wird in der Regel die Verantwortung des Bauherrn überwiegen. Träfen ein Planungsfehler und ein davon unabhängiger Ausführungsfehler des Unternehmers zusammen, verschiebe sich die Haftung zu Lasten des Unternehmers.

Der Bauherr hafte zudem nicht für Fehler in der Bauüberwachung in Bezug auf die bauausführenden Unternehmen. Diese hätten keinen Anspruch darauf, dass ihre eigenen Leistungen überwacht würden. Der vom Bauherrn eingesetzte Bauleiter sei insoweit nicht dessen Erfüllungsgehilfe.

Schließlich bestehe eine Mithaftung für Mängel der vom Bauherrn zur Verfügung gestellten Vorleistungen, die zu Mängeln des bauausführenden Gewerks führen, grundsätzlich nicht. Der Vorunternehmer sei jedenfalls in bisherigen Entscheidungen nicht als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn angesehen worden. Denn der Bauherr verpflichte sich typischerweise nicht, eine mangelfreie Vorleistung zur Verfügung zu stellen. Zwischen der Planung und der Vorleistung könne differenziert werden mit der Folge, dass in der Zurverfügungstellung einer mangelhaften Vorleistung keine Obliegenheitsverletzung gesehen werden kann.

Aufgrund eines Planungsmangels sei die Beklagte für die Mängel mit verantwortlich. Die Klägerin hafte aber deutlich überwiegend, weil sie bewusst ohne Planung gearbeitet hat. Sie hätte zumindest auf die Notwendigkeit einer Detailplanung verweisen müssen. Bei der Abwägung der Verursachungsbeiträge sei zwischen den Kosten der Mangelbeseitigung und den Folgeschäden zu unterscheiden. Der Haftungsanteil der Klägerin betrage daher 75 %.

Anmerkung
Die Entscheidung des OLG Schleswig bestätigt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der Mängel am Vorgewerk dem Auftraggeber von einem nachfolgenden Auftragnehmer nicht anspruchskürzend entgegengehalten werden können. Dies schließt es aber nicht aus, dass Ansprüche des Auftraggebers aus anderen Gründen, wie z. B. Planungsfehler, zu kürzen sind. Wie so häufig kommt es auch hier auf den Einzelfall unter Berücksichtigung der vertraglichen Vereinbarungen an. Um Nachteile zu vermeiden, sollten Auftragnehmer stets darauf achten, ihrer Hinweispflicht nachzukommen.

(Quelle: VOBaktuell Heft IV/2022
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)