Kostenvorschuss nach Minderungserklärung

Kostenvorschuss nach Minderungserklärung
Urteil des BGH – BGH VII ZR 68/22 – vom 22. August 2024

Leitsatz
Die Minderung des Vergütungsanspruchs nach § 634 Nr. 3, Fall 2, § 638 BGB schließt einen Kostenvorschussanspruch nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB wegen des Mangels, auf den die Minderung gestützt wird, nicht aus.

Der BGH hat entschieden, dass der Auftraggeber auch nach erklärter Minderung einen Anspruch auf Kostenvorschuss geltend machen kann.

Sachverhalt
Die Parteien streiten über mit der Widerklage geltend gemachte Ansprüche der Beklagten auf Zahlung von Kostenvorschüssen für die Beseitigung von solchen Schallschutzmängeln, für die sie zunächst eine Minderung der Vergütung erklärt haben. 

Aufgrund des Vertrags vom 10. Dezember 2012 errichtete die Klägerin für die Beklagten auf deren Grundstück ein Einfamilienhaus. Die Abnahme erfolgte am 14. Oktober 2013.

Die Klägerin erstellte unter dem 21. Februar 2014 eine Schlussrechnung, aus der sich zu ihren Gunsten eine Restforderung von 102.100,37 € ergibt, die sie im vorliegenden Verfahren eingeklagt hat.

Die Beklagten haben widerklagend – unter anderem gestützt auf ihre erklärte Minderung – beantragt, die Klägerin zur Rückzahlung überzahlter Vergütung in Höhe von 94.833,25 € nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagten haben insoweit merkantile Minderwerte geltend gemacht, die auf einer Reihe von ihnen im Einzelnen dargelegter Mängel beruhen sollen. Dazu gehören Schallschutzmängel betreffend „Lüfter“, „Abwasseranlage“ und „Trittschall“.

Das Landgericht hat zur Feststellung der behaupteten Mängel und über die Frage, wie sich die festgestellten Mängel auf den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auswirken, Beweis erhoben. Hinsichtlich der Schallschutzmängel hat das Landgericht die Widerklage abgewiesen, da diese Mängel keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks hätten.

Gegen das landgerichtliche Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt, unter anderem mit dem Ziel, die Klägerin zur Zahlung von weiteren 20.000 € zu verurteilen (Verkehrswertminderungen auf der Grundlage der gerügten Schallschutzmängel).

Im Berufungsverfahren hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass es hinsichtlich der Feststellungen des Landgerichts zu einer Verkehrswertminderung des Grundstücks im Hinblick auf die gerügten Schallschutzmängel keine Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts habe. Daraufhin haben die Beklagten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von weiteren 20.000 € als Kostenvorschuss begehrt. Nach einer weiteren Beweisaufnahme zum Vorliegen der behaupteten Schallschutzmängel und der Höhe der Mängelbeseitigungskosten hat das Berufungsgericht unter teilweiser Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klägerin verurteilt, an die Beklagten weitere 16.730,36 € nebst Zinsen als Kostenvorschuss zu zahlen.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision und beantragt insoweit die Abweisung der Widerklage.

Aus den Gründen
Die zulässige Revision sei nicht begründet.

Die Erwägungen des Berufungsgerichts hielten im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht habe zu Recht für jeden der drei geltend gemachten Schallschutzmängel („Lüfter“, „Abwasseranlage“, „Trittschall“), zugunsten der Beklagten die Voraussetzungen für einen Kostenvorschussanspruch bejaht. Die deshalb bestehenden Kostenvorschussansprüche könnten die Beklagten geltend machen, obwohl sie für diese Schallschutzmängel zuvor die Minderung nach § 634 Nr. 3 BGB erklärt hätten.

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts stünden den Beklagten wegen jedes gerügten Schallschutzmangels Kostenvorschussansprüche aus § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, 3 BGB gegen die Klägerin zu. Diese Ansprüche seien nicht nach § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1, § 635 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.

Die Kostenvorschussansprüche seien nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Beklagten wegen der Mängel, die zu diesen Ansprüchen führen, zunächst die Minderung der Vergütung erklärten, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine gesetzliche Regelung, wonach die Geltendmachung eines Kostenvorschussanspruchs ausgeschlossen sei, wenn der Besteller die Minderung des Werklohns erklärt hat, existiere nicht. Weder § 634 BGB noch §§ 637, 638 BGB regelten, in welchem Verhältnis das Recht des Bestellers auf Minderung der Vergütung (§ 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB) und die ihm zustehende Befugnis zur Selbstvornahme sowie sein Anspruch auf Zahlung eines Kostenvorschusses (§ 634 Nr. 2, § 637 BGB) stünden.

Nach dem Gesetzeswortlaut sei vielmehr davon auszugehen, dass diese Rechte nebeneinander bestehen könnten. Aus der Begründung des Gesetzentwurfs zur Modernisierung des Schuldrechts ergäbe sich nichts anderes. Es sei dem Gesetzgeber in Abgrenzung zum alten Schuldrecht vielmehr ein Anliegen gewesen, die Wahrnehmung von Mängelrechten sowohl im Kauf- als auch im Werkvertragsrecht flexibler zu gestalten und Käufern sowie Bestellern mehr Möglichkeiten zur Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen einzuräumen. Diese gesetzgeberische Absicht spräche grundsätzlich dafür, dass die Geltendmachung eines Mängelrechts andere Mängelrechte nicht ausschließe. So habe der Gesetzgeber nur für den Fall des Schadensersatzes statt der Leistung (§ 634 Nr. 4, § 281 Abs. 1 BGB) ausdrücklich geregelt, dass der Anspruch auf Nacherfüllung (§ 634 Nr. 1 BGB) erlischt, sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlange (§ 634 Nr. 4, § 281 Abs. 4 BGB). Diese Regelung diene nach der Absicht des Gesetzgebers dem Schutz des Unternehmers, der sich darauf einstellen können solle, nicht mehr einem Anspruch auf Nacherfüllung ausgesetzt zu sein, nachdem der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt habe.

Der Senat habe es aber abgelehnt, diese ausschließlich § 634 Nr. 1 BGB betreffende Rechtsfolge auf die Befugnis zur Selbstvornahme und damit den Anspruch auf Kostenvorschuss nach § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu erstrecken. Diese Rechtsprechung beruhe auf dem Wortlaut von § 281 Abs. 4 BGB, der gesetzgeberischen Absicht und dem Sinn und Zweck des Kostenvorschussanspruchs. Dieser diene dazu, dem Besteller die Nachteile und Risiken abzunehmen, die mit einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung einhergingen. Wähle der Besteller Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes, kann er den Mangel beseitigen und die damit verbundenen Aufwendungen als Schaden von dem Unternehmer erstattet verlangen. Durch die Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung anstelle der Selbstvornahme solle der Besteller aber nicht schlechter gestellt werden. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses sei deshalb nur gewährleistet, wenn der Besteller – auch nach Wahl des Schadensersatzes statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes – weiterhin Vorschuss verlangen könne.

Der Besteller könne daher nach seiner Erklärung, Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes zu verlangen, den Mangel zunächst nicht beseitigen und den Schaden beispielsweise in Anlehnung an die in § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB geregelte Minderung bemessen. Das hindere ihn aber nicht, sich noch für eine Beseitigung des Mangels zu entscheiden und deshalb einen Kostenvorschussanspruch hierfür geltend zu machen.

Diese Erwägungen zum Verhältnis des Schadensersatzes statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes, § 634 Nr. 4, § 281 BGB, zum Kostenvorschussanspruch, § 634 Nr. 2, § 637 BGB, gelten entsprechend für das Verhältnis der Minderung, § 634 Nr. 3 Fall 2, § 638 BGB, zum Kostenvorschussanspruch. Wähle also der Besteller zunächst das Mängelrecht der Minderung, stehe es ihm ebenfalls grundsätzlich frei, zu einem späteren Zeitpunkt den Mangel zu beseitigen und zur Finanzierung der Aufwendungen einen Kostenvorschussanspruch geltend zu machen. Die Rechtsnatur der Minderung stehe dem nicht entgegen.

Die Gestaltungswirkung der Minderung beschränke sich auf die Mängelrechte der Nacherfüllung, des Rücktritts und des großen Schadensersatzes in Form der Rückgängigmachung des Vertrags, nehme dem Besteller, der das mangelhafte Werk behalte, jedoch nicht das Recht, sein Leistungsinteresse durch Selbstvornahme mit Kostenerstattung im Wege des Schadensersatzes statt der Leistung (kleiner Schadensersatz), § 634 Nr. 4, § 281 BGB, oder gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 1 BGB in vollem Umfang durchzusetzen. Stehe dem Besteller danach die Befugnis zur Selbstvornahme auch nach erklärter Minderung weiterhin zu, kann er vom Unternehmer gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme benötigten Mittel verlangen, die über die durch die Minderung ersparte Vergütung hinausgingen.

Anmerkung
Der BGH hat immer wieder über Fragen zum Verhältnis einzelner Mängelrechte zu urteilen. In diesem Fall ging es um die Frage, ob der Auftraggeber auch nach erklärter Minderung einen Anspruch auf Kostenvorschuss geltend machen kann. Hinsichtlich der Schallschutzmängel hatte das Landgericht die Widerklage abgewiesen, da diese Mängel keinen Einfluss auf den Verkehrswert des Grundstücks hatten. Dem schloss sich das Berufungsgericht an, woraufhin die Beklagten die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von weiteren 20.000 € als Kostenvorschuss begehrten. Dies hält der BGH für zulässig. Steht dem Auftraggeber danach die Befugnis zur Selbstvornahme auch nach erklärter Minderung weiterhin zu, kann er vom Unternehmer einen Kostenvorschuss für die Selbstvornahme benötigten Mittel verlangen, die über die durch die Minderung ersparte Vergütung hinausgehen. Ist ein Auftraggeber mit seiner Minderung mangels wirtschaftlicher Einbuße des Verkehrswertes nicht erfolgreich, kann er daher grundsätzlich trotzdem das Recht der Selbstvornahme geltend machen. Dieses Verhältnis zwischen erklärter Minderung und anschließendem Wechsel auf die Kosten einer Selbstvornahme war bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Das Urteil schafft damit Rechtssicherheit im Verhältnis von Minderung und Selbstvornahme.

(Quelle: VOBaktuell Heft II/2025
RA Dr. Philipp Mesenburg / RA Christian Schostag)