Fälligkeit der Vergütung des Nachunternehmers erst nach Vorlage sämtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigungen

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OLG Köln: Fälligkeit der Vergütung des Nachunternehmers erst nach Vorlage sämtlicher Unbedenklichkeitsbescheinigungen
Urteil des OLG Köln – 16 U 48/19 – vom 4. September 2019

Orientierungssatz
Eine in einem Nachunternehmervertrag enthaltene Formularklausel, die die Vergütung des Nachunternehmers erst nach vollständiger und aktueller Vorlage sämtlicher 
Unbedenklichkeitsbescheinigungen von jedem eingesetzten Arbeitnehmer fällig werden lässt, benachteiligt den Auftragnehmer unangemessen und ist unwirksam. 

Das OLG Köln hat sich mit der Wirksamkeit einer in einem Nachunternehmervertrag enthaltenen Formularklausel befasst, die nach einer vorangegangenen Entscheidung des OLG Köln unproblematisch war. Durch die neue Entscheidung ist es angebracht, den eigenen Vertrag zu überprüfen und gegebenenfalls an die neue Rechtsprechung anzupassen.

Sachverhalt
Die hiesige Beklagte beauftragte als Generalunternehmerin die hiesige Klägerin mit der Erbringung von Trockenbauarbeiten an dem Behördengebäude des B Flughafens. Zwischen beiden wurde ein von der Generalunternehmerin vorformulierter Nachunternehmervertrag geschlossen. In dem Nachunternehmervertrag war unter anderem folgende Regelung enthalten: „Die Fälligkeitsfrist beginnt frühestens zu laufen, wenn die in § 20 dieses Vertrages aufgelisteten Bescheinigungen aktuell und vollständig beim AG vorliegen.“ In § 20 des Nachunternehmervertrages wurden unter der Überschrift „Vorgaben zum Personaleinsatz“ insbesondere die Pflichten des Nachunternehmers zur Vorlage von Unterlagen geregelt, insbesondere hieß es: „Der NU verpflichtet sich, spätestens bis zum Leistungsbeginn aktuelle Unbedenklichkeitsbescheinigungen: • der Urlaubskasse …, • der Sozialversicherung/Krankenkassen …, • der Berufsgenossenschaft … • sowie Mindestlohnbescheinigungen von jedem eingesetzten Arbeitnehmer vorzulegen, und diese Bescheinigungen bis zur Schlusszahlung lückenlos zu aktualisieren.“ Nach Fertigstellung der Leistung stellte die Nachunternehmerin ihre Schlussrechnung. Die Generalunternehmerin verweigerte unter Hinweis auf die nicht gemäß §§ 14, 20 des Nachunternehmervertrages vorgelegten Unbedenklichkeitsbescheinigungen die Bezahlung der Schlussrechnung. 

Die klagende Nachunternehmerin macht gegen die beklagte Generalunternehmerin restliche Werklohnansprüche geltend. 

Das Landgericht hat die Zahlungsklage als derzeit unbegründet abgewiesen, da die Nachunternehmerin der Generalunternehmerin die gemäß den §§ 14 iVm 20 des Nachunternehmervertrages zur Fälligkeit der Werklohnforderung erforderlichen Auflistungen und Unbedenklichkeitsbescheinigungen für die Einsatzzeit nicht vollständig vorgelegt hat. Hiergegen wendet sich die Generalunternehmerin im Rahmen der Berufung.

Aus den Gründen
Nach Auffassung des OLG Köln hat die Berufung der Generalunternehmerin Erfolg. Es stützt hierbei seine Auffassung auf die in den §§ 14, 20 des Nachunternehmervertrages aufgeführten Regelungen zur Zahlungsfälligkeit und führt aus, dass diese Regelungen die Nachunternehmerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Das OLG Köln kommt zu dem Ergebnis, dass die Regelung im Nachunternehmervertrag vom gesetzlichen Leitbild des Werkvertrags abweicht.

Die Generalunternehmerin habe ein berechtigtes Interesse daran, sich im Hinblick auf eine mögliche Haftung wie eine Bürgin aus § 14 AEntG und § 28e Abs. 3a SGB IV für seitens der Nachunternehmerin nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge durch die Pflicht ihrer Vertragspartnerin zur Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen abzusichern. Diesem Sicherungsbedürfnis – das im Übrigen schon im Gesetz durch die Einräumung eines Zurückbehaltungsrechts aus § 273 BGB Berücksichtigung findet – stehe das Interesse der Nachunternehmerin auf Erhalt der ihr nach Abschluss der Werkleistung zustehenden Vergütung gegenüber. Die im Nachunternehmervertrag enthaltene Klausel, wonach die Generalunternehmerin bis zur vollständigen Übergabe aller Unbedenklichkeitsbescheinigungen nicht zur Zahlung verpflichtet ist, berücksichtige in keiner Weise die Interessen der Nachunternehmerin. Diese völlig einseitige Bevorteilung der Interessen der Generalunternehmerin sei missbräuchlich. Bereits eine einzig fehlende Bescheinigung führe nämlich dazu, dass die Generalunternehmerin die gesamte noch offenstehende Vergütung nicht zu zahlen habe. Überdies berücksichtige die Klausel in keiner Weise, dass die Generalunternehmerin zur Einholung der Auskünfte bei den betreffenden Institutionen ermächtigt und bevollmächtigt werde, sodass sie ihr berechtigtes Informationsinteresse auch eigenständig verfolgen könne. 

Zudem verstößt die Regelung im Nachunternehmervertrag nach Auffassung des OLG Köln auch gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Das Transparenzgebot fordere, dass die AGB-Klauseln die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlich aufmerksamen und sorgfältigen Vertragspartner so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden könne. Dem Vertragspartner müsse klar sein, was ggf. „auf ihn zukommt“. Dem werden die Regelungen im Nachunternehmervertrag nach Ansicht des OLG Köln nicht gerecht. Hinweise auf vorzulegende Bescheinigungen fänden sich in einer über 2,5 Druckseiten erstreckenden und in 15 Absätzen gegliederten Regelung und umfassten insgesamt 7 verschiedene Arten von vorzulegenden Unterlagen. Zudem würden die Rechtsfolgen der Vorlagepflichtverstöße auf zwei Paragraphen (§ 14 bzw. § 20) – die 3 Seiten auseinanderstehen – verteilt und würden dem aufmerksamen Vertragspartner auch unter diesem Gesichtspunkt nicht ausreichend klar. Es werde der Nachunternehmerin daher nicht hinreichend klar, welche Bescheinigungen von ihr wann konkret vorzulegen sind und insbesondere nicht, dass sich ein Verstoß gegen diese Vorlagepflichten dahingehend auswirke, dass ein ihr zustehender (Rest-)Vergütungsanspruch in voller Höhe nicht fällig werde. Zudem enthalte die Regelung als weitere wirtschaftlich einschneidende Rechtsfolge bei Nichtvorlage der Bescheinigungen eine Vertragsstrafe sowie ein Sicherheitseinbehalt zugunsten der Generalunternehmerin. Diese Kumulation führe zu einer möglichen Übersicherung der Generalunternehmerin.

Anmerkung
Dieses Urteil steht in einem gewissen Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Dezember 2016 (Az: IX ZR 117/16, vgl. VOB aktuell II/2017), in welchem der Bundesgerichtshof eine Klausel, in denen die Parteien eines Werkvertrags vereinbart haben, dass die Fälligkeit des Werklohns von der Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Sozialkassen und der Bauberufsgenossenschaft abhängen soll, für wirksam erachtet hat. In diesem Urteil hat sich der BGH jedoch nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine solche Regelung auch im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam ist.

Bei der Formulierung einer vertraglichen Regelung im Rahmen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen sollte zukünftig Vorsicht geboten sein, wenn die Bezahlung der Werkleistung
des Nachunternehmers von der vollständigen Vorlage sämtlicher geforderter Unbedenklichkeitsbescheinigungen abhängig gemacht wird. Hier sollte die Klausel eventuell dahingehend geändert werden, dass die Zahlung bei Nichtvorlage geforderter Unbedenklichkeitsbescheinigungen in angemessener Höhe verweigert werden kann.

Aus diesen Gründen sollte der vom Bauunternehmer verwendete Vertrag dahingehend überprüft werden, ob und wie die Klausel zum Eintritt der Fälligkeit der Vergütung des Nachunternehmers
formuliert ist und gegebenenfalls die Klausel an die neue Rechtsprechung angepasst werden.

(Quelle: VOBaktuell Heft III/2020
RA Dr. Philipp Mesenburg und RÄ Dunja Salmen)