Berechnung der Zuschläge bei Mengenmehrungen iSv § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B

Vorschaubild: www.BillionPhotos.com / shutterstock

BGH: Berechnung der Zuschläge bei Mengenmehrungen iSv § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B
Urteil des Bundesgerichtshofs – VII ZR 10/19 – vom 21. November 2019

Leitsatz:
Der Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B setzt nach dem Wortlaut der Klausel nur voraus, dass die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v. H. überschreitet und eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt. Dagegen ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten Voraussetzung für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises ist (Anschluss an BGH, Urteil vom 8. August 2019 VII ZR 34/18, BauR 2019, 1766 = NZBau 2019, 706). 

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach dem Wortlaut der Klausel nur voraussetzt, dass die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v. H. überschreitet und eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt. Dagegen ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten vorliegen muss. Im Hinblick auf die Angemessenheit der Höhe des Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten kann diese nicht mit dem bloßen Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden.

Sachverhalt:
Die Auftraggeberin beauftragte die Auftragnehmerin unter Einbeziehung der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen VOB/B mit der Herstellung einer Natursteinfassade einschließlich der Fassadendämmung für ein Neubauvorhaben. Im Rahmen der Schlussrechnung rechnete die Auftragnehmerin die Fassadendämmung gemäß Abschnitt 5.1.1.3 der DIN 18332 nach den Maßen der von ihr hergestellten Fassadenbekleidung zu den vertraglich vereinbarten Einheitspreisen ab. Die Auftraggeberin nahm Streichungen an der Schlussrechnung vor und begründete diese damit, dass die Fassadendämmung nach den Maßen der geringeren zu bekleidenden Fläche abzurechnen sei. Für den Fall, dass der von der Auftragnehmerin vorgenommenen Abrechnung nach den Maßen der Fassadenbekleidung zu folgen sei, verlangte die Auftraggeberin eine Herabsetzung der Einheitspreise gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B. Sie begründete ihre Auffassung damit, dass der Einheitspreis jedenfalls um den jeweils in ihm enthaltenen Anteil der allgemeinen Geschäftskosten herabzusetzen sei. Hiergegen wandte sich die Auftragnehmerin mit der Erhebung einer Klage auf Zahlung des Restwerklohnes.

Aus den Gründen:
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs beschränkt sich lediglich auf die Frage, ob die Auftraggeberin bei einer Mengenmehrung von mehr als 10 % die Herabsetzung des Einheitspreises um den in ihm enthaltenen Anteil der allgemeinen Geschäftskosten verlangen kann. Hierzu führt der Bundesgerichtshof aus, dass § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B bestimmt, dass für eine über 10 v. H. hinausgehende Überschreitung des Mengenansatzes auf Verlangen ein neuer Preis vereinbart werden muss. Die Klausel regele damit die Voraussetzungen für den Anspruch auf Vereinbarung eines neuen Preises. Dieser Anspruch setzte – wie der Senat bereits mit Urteil vom 8. August 2019 klargestellt hat – nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nur voraus, dass die ausgeführte Menge den im Vertrag angegebenen Mengenansatz um mehr als 10 v. H. überschreitet und eine Partei die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt. Dagegen sei nicht erforderlich, dass eine auf die Mengenmehrung kausal zurückzuführende Veränderung der im ursprünglichen Einheitspreis veranschlagten Kosten eingetreten ist.

Liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B vor, sei ein neuer Preis zu vereinbaren. Können sich die Parteien nicht auf einen neuen Preis verständigen, so ist dieser im Streitfall von dem angerufenen Gericht zu bestimmen, so der Bundesgerichtshof erläuternd.

Vorliegend sind nach Auffassung des Bundesgerichtshofs die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B für einen Anspruch der Auftraggeberin auf Vereinbarung eines neuen Preises für die über 10 v. H. liegenden Mehrmengen hinsichtlich der Fassadendämmung gegeben, da eine entsprechende Mengenmehrung vorliegt und die Auftraggeberin die Vereinbarung eines neuen Preises verlangt hat. Dieser Anspruch setzte – entgegen des Urteils des Berufungsgerichts – hingegen nicht voraus, dass aufgrund der Mengenmehrung tatsächlich Kostenersparnisse bei der Auftragnehmerin eingetreten sind. Der Bundesgerichtshof weist daher die Entscheidung zurück an das Berufungsgericht und weist dabei auf Folgendes hin:

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. August 2019 hat die Bildung eines neuen Einheitspreises für Mehrmengen im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nach tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge zu erfolgen.

Entgegen der auf einem Redaktionsversehen beruhenden Formulierung im Urteil vom 8. August 2019 sind Baustellengemeinkosten nicht im Rahmen angemessener Zuschläge zu berücksichtigen. Bei der Bildung des neuen Einheitspreises ist ein angemessener Zuschlag für allgemeine Geschäftskosten auf die tatsächlich erforderlichen Kosten der über 10 v. H. liegenden Mehrmengen zu berücksichtigen. Dies gilt unabhängig davon, ob durch die Mengenmehrung eine Bauzeitverlängerung verursacht ist.

Hinsichtlich der Höhe des Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten ist zu beachten, dass die Angemessenheit des Zuschlags nicht mit dem bloßen Verweis auf die Kalkulation des Auftragnehmers begründet werden kann. Der Tatrichter ist bei der Bestimmung der Höhe des angemessenen Zuschlags gemäß § 287 Abs. 2 ZPO zur Schätzung berechtigt, der Bundesgerichtshof abschließend.

Anmerkung:
In dem zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8. August 2019 hatte er der langjährigen Praxis der Fortschreibung der Urkalkulation bei Mengenmehrungen eine Absage erteilt.

In dem nun vorliegenden Urteil beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der Ermittlung der Angemessenheit der in den Einheitspreisen enthaltenen Zuschläge und der Anpassung dieser bei Mengenmehrungen. Da er die Sache jedoch an das Berufungsgericht zurückweist, ist eine endgültige Entscheidung, wie sich der Bundesgerichtshof in dieser Frage positioniert, noch nicht gefallen.

Die Hinweise an das Berufungsgericht geben jedoch zu erkennen, dass der Bundesgerichtshof der Auffassung ist, dass sich der Auftragnehmer bei Mengenmehrungen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B nicht lediglich auf seine Kalkulation berufen kann. Hieraus dürfte folgen, dass der Ansatz eines bestimmten Zuschlags, z. B. für allgemeine Geschäftskosten, in der Kalkulation des Auftragnehmers nicht ohne Weiteres dazu führt, dass dieser Zuschlag im Rahmen von Mengenmehrungen als angemessen eingeschätzt wird. Vielmehr ist im Streitfall das Gericht zur Bestimmung der Höhe des angemessenen Zuschlags durch Schätzung berechtigt.

(Quelle: VOBaktuell Heft II/2020
RA Dr. Philipp Mesenburg und RÄ Dunja Salmen)